Wird ein Kind Opfer sexuellen Missbrauchs, stehen Angehörige und Betroffene oft vor vielen offenen Fragen: Sollte eine Strafanzeige gestellt werden? Wie läuft ein Ermittlungsverfahren ab? Welche Rechte haben die Betroffenen – und welche Ansprüche können geltend gemacht werden?
In dieser belastenden Situation ist es empfehlenswert, frühzeitig anwaltliche Unterstützung in Anspruch zu nehmen. Denn auch Opfer einer Straftat können sich bereits im Ermittlungsverfahren durch eine Rechtsanwältin oder einen Rechtsanwalt vertreten lassen.
Was gilt als sexueller Missbrauch von Kindern?
Sexuelle Handlungen an Kindern unter 14 Jahren sind in Deutschland ausnahmslos strafbar – unabhängig davon, ob das Kind möglicherweise zustimmt oder die Handlung selbst initiiert. Strafbare Handlungen umfassen unter anderem:
- Sexuelle Handlungen an einem Kind
- Zungenküsse mit einem Kind
- Das Veranlassen eines Kindes zur sexuellen Befriedigung anderer
- Das Erzwingen sexueller Handlungen an sich selbst durch ein Kind
- Das Eindringen in den Körper des Kindes – ob mit einem Körperteil oder Gegenstand (dies stellt einen schweren sexuellen Missbrauch dar)
Auch Handlungen ohne direkten Körperkontakt können strafbar sein, z. B.:
- Das Entkleiden und sexuelle Zurschaustellen vor einem Kind
- Masturbation in Anwesenheit eines Kindes
- Das Zeigen pornografischer Bilder oder Videos
Rechtlicher Beistand im Ermittlungsverfahren
Ein Strafverfahren beginnt mit dem sogenannten Ermittlungsverfahren. Bereits in diesem frühen Stadium können Betroffene anwaltlichen Beistand erhalten. Eine erfahrene Anwältin kann sich als Beistand beiordnen lassen und ggf. auch frühzeitig die Nebenklage beantragen.
Hinweis zur kindgerechten Vernehmung: Kinder, die als Zeugen aussagen sollen, werden in der Regel in einer geschützten Umgebung befragt. Die Vernehmung wird auf Video aufgezeichnet. Staatsanwaltschaft, Verteidigung und ggf. Sachverständige verfolgen die Vernehmung in einem separaten Raum und können über den Richter Fragen stellen. So bleibt dem Kind eine wiederholte Aussage im Gerichtssaal erspart.
Nebenklage – Welche Rechte haben Betroffene?
Wer Opfer einer Straftat geworden ist, tritt im Verfahren zunächst als Zeuge auf. Entscheidet sich die betroffene Person jedoch für den Anschluss als Nebenklägerin oder Nebenkläger, wird sie offiziell Verfahrensbeteiligte – mit erweiterten Rechten:
- Akteneinsicht: Dieses Recht steht dem Nebenkläger über die anwaltliche Vertretung zu.
- Anwesenheit: Nebenkläger und ihre Rechtsanwälte dürfen an allen Hauptverhandlungsterminen teilnehmen.
- Beweisanträge: Es können eigene Beweisanträge gestellt und z. B. neue Zeugen oder Sachverständige benannt werden.
- Fragerecht: Nebenkläger dürfen dem Angeklagten, Zeugen oder Sachverständigen Fragen stellen und unzulässige Fragen anderer Beteiligter beanstanden.
- Ausschluss des Angeklagten: Auf Antrag kann der Angeklagte während der Vernehmung des Nebenklägers vom Sitzungssaal ausgeschlossen werden.
- Befangenheitsanträge: Nebenkläger können Richter oder Sachverständige wegen Befangenheit ablehnen.
- Rechtsmittel: Es besteht die Möglichkeit, gegen das Urteil begrenzt Rechtsmittel wie Berufung oder Revision einzulegen – etwa bei einem Freispruch.
Wer darf Nebenklage erheben?
Die Berechtigung zur Nebenklage ergibt sich aus § 395 StPO. Sie gilt u. a. für Betroffene folgender Straftaten:
- Sexualdelikte (z. B. Vergewaltigung, sexueller Missbrauch)
- Körperverletzungsdelikte
- Versuchte Tötungsdelikte
- Straftaten gegen die persönliche Freiheit (z. B. Stalking)
Bei tödlichen Straftaten können auch Angehörige – wie Eltern, Kinder, Geschwister, Ehepartner oder Lebensgefährten – Nebenklage erheben. Minderjährige müssen dabei durch ihre gesetzlichen Vertreter vertreten werden.
Wie erfolgt der Anschluss an die Nebenklage?
Die Nebenklage wird durch eine formale Anschlusserklärung erhoben. Damit wird erklärt, dass sich die betroffene Person der Klage der Staatsanwaltschaft anschließen möchte. Dies ist jederzeit möglich – selbst noch im Berufungsverfahren.
Ist eine anwaltliche Vertretung verpflichtend?
Grundsätzlich besteht für die Nebenklage kein Anwaltszwang. Es ist jedoch ratsam, eine anwaltliche Vertretung in Anspruch zu nehmen. Der Nebenklagevertreter kann nicht nur im Strafverfahren unterstützen, sondern auch über mögliche zivilrechtliche Ansprüche auf Schmerzensgeld beraten – etwa im Rahmen eines Adhäsionsverfahrens.
Wer übernimmt die Kosten?
In bestimmten Fällen werden die Anwaltskosten für Nebenkläger von der Staatskasse übernommen. Dies betrifft insbesondere Opfer schwerer Straftaten wie sexuellen Missbrauchs oder versuchter Tötung. Die anwaltliche Beiordnung erfolgt auf Antrag.
Anspruch auf Schmerzensgeld
Opfer von sexuellem Missbrauch haben neben der strafrechtlichen Aufarbeitung oft auch Anspruch auf eine finanzielle Entschädigung für erlittene seelische Schäden. Dieser zivilrechtliche Anspruch auf Schmerzensgeld kann entweder direkt im Strafverfahren (über einen Adhäsionsantrag) oder vor dem Zivilgericht geltend gemacht werden. Ein Vorteil des Adhäsionsverfahrens ist, dass dem Betroffenen ein zweites Gerichtsverfahren erspart bleibt.